Medizin ist für uns mehr als Fachkompetenz. Medizin ist im Kern die Begegnung von Mensch zu Mensch. Dieser Begegnung wieder Wichtigkeit zu geben und sie begeistert zu erfüllen mit Herzblut und menschlichem Antlitz – das ist wofür wir Gesicht zeigen wollen.
„Die Gesundheitswesen“
Wie ich meinen Weg gehe
Ich heiße Dr. med. Sabrina Klem-Radinger, bin Ärztin in Weiterbildung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ärztin in der Asylversorgung, Mutter von zwei Kindern, Fachbuchautorin und neuerdings auch Podcasterin.
Als Ärztin
Mein beruflicher Werdegang ist von Anfang an nicht geradlinig verlaufen. Mein Notenschnitt hatte nicht ausgereicht, um nach dem Abitur direkt mit dem Studium zu beginnen. Meinen Kindheitstraum Ärztin zu werden konnte ich somit nicht gleich erfüllen. Ich erinnere mich als wäre es gestern gewesen an die Enttäuschung, den Frust und die Trauer in dieser Zeit, angetrieben von einem Ziel, das doch verwehrt schien. Ich fand nach gescheiterter Direktauswahl an der Universität und Losverfahren die Möglichkeit im Ausland zu studieren und ergatterte einen Medizinstudienplatz in Luxembourg, wo ich die ersten 2 Semester absolvieren konnte. Glücklicherweise gelang nach einem weiteren Jahr auch der Quereinstieg in ein höheres Fachsemestern mit Umgehung der Zentralen Vergabestelle (ZVS) und ich konnte enthusiastisch das Studium in Deutschland abschließen.
Ankommen in der Realität
Leider divergierte die kindliche Vorstellung des Arztberufes dann erheblich von der Realität: ein wunderbarer Beruf hineingepresst in starke Hierarchien, altmodische Denkweisen und Strukturen, wenig Zeit, mangelnde Wertschätzung und oft das Gefühl, dass eines stört: der Patient.
Ich fand meinen Weg in die Kinder- und Jugendpsychiatrie, wo ich erleben durfte, dass man den Menschen auch als Ganzes betrachtet und sich Zeit nehmen darf für seine Biografie, Zeit zum Zuhören. Damals gab es noch keine DRGs in der KJP.
Immer wieder reizte mich auch die somatische Seite der Medizin, sodass ich 2016 begann mich im Rahmen der damaligen Flüchtlingswelle in der Asylversorgung zu engagieren, wo ich bis zum heutigen Tage meiner Passion von interkulturelle Begegnungen nachgehen kann und sehr viel lernen darf.
Der Podcast „Die Gesundheitswesen“

In meiner Elternzeit, auch emotional weit weg vom Klinikalltag, eingebettet im Kreise unserer kleinen Familie, erfuhr ich weiterhin die Alltagsgeschichten der KollegInnen und meines Mannes in der Praxis und nahm teil an dem Hadern und Jammern über Arbeitgeber, Systeme, Kliniken, wegen Überstunden, Überarbeitung, Überforderung. Wie sollte das weitergehen? Warum können wir in diesem System nicht glücklich werden? Was kann man selbst beitragen und wie könnten wir im Kollektiv Änderungen erwirken?
Während diese Gedanken mir nachhingen, stolperte ich eines Tages über einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt. In diesem wurde erkannt, dass bereits über 40 Prozent der Studierenden vor dem ersten Staatsexamen an depressiven Symptomen leiden und fast genauso viele nach dem Abschluss an Depressionen, Sucht- und Angststörungen erkrankt sind. Insgesamt haben ÄrztInnen die höchste Rate an Suiziden unter allen Berufsgruppen. Erschreckende und aufrüttelnde Zahlen, die mich sehr beschäftigten.
Muss diese Realität so bleiben?
Aber worüber ich erschrak war die Konklusion, die das Autorenteam des Artikels präsentierte: man müsse die Studierenden besser auswählen. Nicht nur nach Noten oder fachlichem Können, es müssten zur Eignung zum Mediziner andere Kriterien her, die die Auswahl von belastbarerem, wissenschaftlichem Nachwuchs garantieren!
Mit anderen Worten: Nur die Harten kommen in den Garten? Die feinfühligen Studenten müssen raus? Muss man wenig einfühlsam sein, damit man den Beruf mit all seinen Herausforderungen meistern kann und wie ein Schweizer Uhrwerk, Tag für Tag und Nacht für Nacht funktionieren, ohne emotionale Regung? Sollen das unsere Ärzte, unsere KollegInnen von morgen sein?
Ich zeigte den Artikel meinem Mann und meinen Freunden. Alle waren entsetzt. Sollen wir den Fehler bei uns suchen statt im System?
Dafür stehen wir als Gesundheitswesen
Unsere Meinung ist, Menschen, die krank sind oder gesund bleiben wollen, brauchen Menschen als Ärzte, von denen eine gewisse Weisheit ausgeht, die auch eigene Emotionen zeigen können und die jene Werte auch leben, die sie ihren Patienten mitgeben. Wir wollen keine unberührbaren Maschinen sein. Wir lassen uns mit unserer Persönlichkeit in unseren Beruf hinein, weil wir davon überzeugt sind, dass man das eine vom anderen nicht trennen kann. Wir wissen, dass Authentizität und Ehrlichkeit Werte sind, die unser Gegenüber spürt. Ebenso sind wir davon überzeugt, dass wir ausgeglichen besser für die Menschen da sein können, weil dann weniger Fehler passieren und sich diese Atmosphäre überträgt, sowohl auf unser Arbeitsumfeld, unsere KollegInnnen, als auch auf die Patienten und am Ende kommt alles wieder zurück zu uns. Wir wollen eine menschliche Medizin für alle Patienten und für uns selbst und das treibt uns an.
So gab es viele Treffen mit Brainstorming, Ideen, konstruktiven Kritiken und am Ende entschieden wir uns dazu einen Podcast ins Leben zu rufen.
Wir, sechs Freunde aus dem Gesundheitswesen, eine Psychologin, eine Medizinstudentin, die auch Krankenschwester ist, eine Kardiologin, ein Allgemeinmediziner, ein ärztlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Allgemeinmedizin und ich, wir wollen mit unserem Herzensprojekt Podcast kein Fachwissen oder Leitlinien vermitteln, uns geht es um die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, also um „Die Gesundheitswesen“. Wir haben uns auch aus diesem Grund entschieden, den Podcast als Gruppe aufzuziehen, denn wir wollen keinen von uns herausstellen.
Unsere Vision
Das Gesundheitswesen ist kein unpersönliches System. Es ist ein Zusammenschluss von Menschen, die anderen Menschen helfen wollen; helfen beim gesund Werden, beim gesund Bleiben.
Vielen von uns fehlt genau in diesem Job etwas Wesentliches. Für den einen ist es die fehlende Zeit mit dem Patienten, den anderen stört die permanente Überforderung, starke Hierarchien, mangelnde Wertschätzung, wirtschaftliche Aspekte, die im Vordergrund stehen, die Liste ist lang!
Wegen dieser Missstände liegt es uns am Herzen für unsere Vision des Gesundheitswesens auf die Barrikaden zu gehen:
Medizin ist für uns mehr als Fachkompetenz. Medizin ist im Kern die Begegnung von Mensch zu Mensch. Dieser Begegnung wieder Wichtigkeit zu geben und sie begeistert zu erfüllen mit Herzblut und menschlichem Antlitz – das ist wofür wir Gesicht zeigen wollen.
Seit Anfang Dezember gibt es nun unseren Podcast bei allen gängigen Podcastanbietern, neue Folgen erscheinen zweiwöchentlich und wir freuen uns von ganzem Herzen über Themenvorschläge, Kommentare und Ideen. Und darüber euch, alle Gleichgesinnten aus allen Fachrichtungen und -disziplinen kennenzulernen.
Also lasst uns das Gesundheitswesen bewusst gestalten, denn das sind wir ja alle. Und deswegen sind wir und auch ihr die Gesundheitswesen!
„Wir alle sind Gesundheitswesen!“
Bildquelle: die Gesundheitswesen (Link zum Podcast), Jan E. Siebert www.jan-siebert.com
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