2020 ist ein Jahr der Klarheit – für mich und unsere Gesellschaft.
Klarheit in der Verwirrung
Irgendwie kurios. 2020 ist für mich ein Jahr der Klarheit. Dieses Jahr gab mir die Möglichkeit, mich auszurichten.
In all dem Chaos und der Verwirrung durch die Coronapandemie habe ich endlich zu mir gefunden.
Wie das geht? Es ist harte Arbeit. Es erfordert Disziplin und den unabdingbaren Willen, sich selbst etwas wert zu sein. Sich mit sich selbst zu beschäftigen, ist schwierig. Manchmal schmerzt es und kostet unglaublich viel Kraft und Geduld. An anderen Tagen macht es Freude und geht leicht von der Hand. Es ist die Beschäftigung mit Fragen, die unser Leben leiten.
Was möchte ich eigentlich? Warum lebe ich mein Leben, wie ich es mache? Wer bin ich wirklich und wer kann ich sein?
Diese Klarheit für mich zu gewinnen, tut unglaublich gut. Es ermöglicht mir, meine Prioritäten so zu setzen. Gelingt mir das jeden Tag? Nein, sicherlich nicht. Aber zu erkennen, dass ich in den Höhen und in den Tiefen meines Lebens mit schwimmen kann, ohne zu ertrinken, gibt Kraft.
Schon immer habe ich mich im äußeren Chaos erst wirklich gespürt. Auf dem überfüllten Marktplatz in Westafrika, auf dem hektischen Busbahnhof in Tansania oder im Stau in der Rikscha in Delhi. Die Konzentration auf mich selbst und das achtsame Erleben des Daseins vermitteln mir ein Gefühl der Ameise im Universum. Meine Wichtigkeit verschwindet. Dankbarkeit und Lebensfreude nehmen Platz ein.
Glück und Leid
Diese Jahr ist für meine Familie und mich ein glückliches Jahr.
Für unsere Gesellschaft ist es ein Trauriges. Es gibt viele Tode.
Die Priorisierungen der vergangenen Jahre müssen neu gedacht werden.
Schütze ich die Schwachen in unserer Gesellschaft oder die Starken? Ist Wirtschaftsleistung wichtiger als Menschenleben? Priorisiere ich die Behandlung von Menschen mit einer Viruserkrankung vor der Behandlung von Menschen mit „Lifestyle“-Erkrankungen? Welche Priorität hat Demokratie und der Schutz des Einzelnen? Oder hat der Schutz der Gesamtbevölkerung Vorrang und darf man dann autoritäre Macht tolerieren? Profit vor Menschenleben? Leistung vor Gesundheit?
Oder gibt es nicht doch ein „grau“ unter all dem „schwarz-weiß“? Wie hängen diese Themen miteinander zusammen? Gibt es einen Wert, der erfüllt sein muss, dass ein anderer darauf aufbauen kann?
Es ist ein Jahr der Verwirrung. Und damit eine riesige Chance der Klarheit.
Priorisierung – ein Thema der Gesellschaft
Wir dürfen für uns selbst definieren, was wichtig ist. Welche Werte tragen wir in uns? Solidarität? Respekt? Freiheit? Selbstbestimmung? Und was bedeuten diese Werte für uns?
Die Priorisierungen in unserer Gesellschaft waren bisher Gedanken einer Gesellschaft in Fülle. Ein Privileg. (Auch wenn für mich selbst diese Gedanken nie weg waren. Sie waren für mich sogar unglaublich nah fühlbar. Aber im „Äußeren“, in unserer Gesellschaft, schien alles fest verankert.)
Dieses Jahr wird es zum ersten Mal seit Langem grundlegend. Die Gesellschaft wird mit den Urängsten als Mensch konfrontiert. Schwäche, Krankheit, Einsamkeit, Verlust und Tod.
Ernst, emotional, Angst einflößend.
Aber jetzt ist sie da – die Chance für eine wertebasierte Zukunftsgestaltung. Vielleicht darf es in diesem Themenbereich einfach schwierig sein.
Bildquelle: flickr.com, by smush12
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